Antinatalismus 

Erschien im Romp #44 2018
Antinatalismus?? Was zur Hölle ist das denn nun schon wieder? Sass ich also neulich wieder mal in meiner, na ja Stammkneipe nennt sich das wohl, und stöberte in der bürgerlichen Sonntagspresse. Da findet sich doch auch immer mal wieder was lesenswertes. Aufmerksam auf den Artikel wurde ich durch seien Aufhänger „Mehret euch nicht.“ und etwas kleiner: „Der mensch ist das grösste Umweltproblem.“ Ja stimmt, das kann ich nicht und wohl auch sonst kaum wer verneinen. „Deshalb fordern Antinatalisten das Ende der Fortpflanzung.“ Die Aufhänger habens geschafft mich auf was aufmerksam zu machen. Die wissen schon wie. Da musste ich, als kleiner hobby- und Teilzeit-Misanthrop, einfach weiterlesen. Der Artikel widmete sich dann aber eher einem Sprachrohr der französisch sprechenden Antinatalisten Théophile de Giraud. Das Bild welches dazu geliefert wurde ziert nun übrigens das Cover dieser Ausgabe. Ein unsäglicher Strandfleischberg.
Théophile de Giraud ist Protestschriftsteller, Philosoph, belgischer Aktivist des Antinatalismus und ein ziemlich schräger Vogel. Zudem ist er einer der Mitgestalter der kinderfreien Bewegung und des Nicht-Eltern-Tags. Diese Fête des Non-Parents fand bisher dreimal statt und liegt terminlich genau zwischen Mutter- und Vatertag.  2008 übergoss er  in Brüssel eine Statue von Leopold II. mit roter Farbe, als Symbol für Blut. Er protestierte damit gegen die öffentliche Aufwertung des Königs, der das koloniale System des Belgisch-Kongo begründete. Dieser steht für Millionen von Opfern der empörend, imperialistischen und rassistisch Kolonialpolitik Belgiens. Giraud  sieht ihn als Verbrecher gegen die Menschlichkeit, und sollte daher seiner Ansicht nach nicht in den Rang der grossen Männer der Nation erhoben werden.“Nein zum Symbol der Ungerechtigkeit“ oder „Leopold II = Verbrecher gegen die Menschlichkeit“  
2012 organisierte er in Paris eine „Denatalist“- Veranstaltung, um auf das Tabu der Überbevölkerung aufmerksam zu machen und auf den Wert der Weigerung, aus ökologischen Gründen geboren zu werden.
Nun gut, wahrscheinlich wurden er und die Idee des Antinatalismus diese Frühjahr durch alle deutschsprachigen Zeitungen geschleift, da er ende letztes Jahr am General Assembly in Berlin,  eine 5 minütige Rede hielt. (Das  General Assembly in Berlin sieht sich als sozial gerechtes Weltparlament nicht nur der Menschen sondern auch der Tiere und Dinge.) Dazu aber vielleicht ein ander mal.
Seine 5 Minütige Rede wurde jedoch eher als belustigend als ernst genommen, in der er unter anderem das Recht auf Abtreibung oder das Recht auf Nicht geboren zu werden in die Charta aufzunehmen gefordert hat. Seine ganze Rede war so schnell das die Simultanübersetzung ins stocken kam. Kann mensch sich anhören, oder eben nicht wirklich.
Nun aber zurück zum Thema.
Antinatalismus ist eine Philosophie. Eine die die menschlichen Reproduktion ablehnt. Antinatalistische Positionen vertreten unter anderem der arabische Dichter Al-Ma’arri, Arthur Schopenhauer, Brother Theodore, E. M. Cioran, Matti Häyry, David Benatar sowie das Voluntary Human Extinction Movement. Das Gegenteil davon wäre folglich der Pronatalismus.
Einige Staaten verfolgen diese pronatalistische Politik, um ein Schrumpfen der Bevölkerung zu verhindern oder das Wachstum der Bevölkerung zu steigern. Dazu gehört etwa Frankreich, so wie wohl die meisten westlichen Saaten auch.
Das Voluntary Human Extinction Movement („Bewegung für das freiwillige Aussterben der Menschheit“), besser bekannt unter der Abkürzung VHEMT , ist eine tiefenökologische (Umwelt- und Naturphilosophie, die ein Leben im Einklang mit der Natur anstrebt) geistige Strömung, die für das freiwillige Aussterben der Menschheit eintritt. Dabei geht es natürlich nicht um die schon lebenden Mensch, nein, die sollen lange leben, sondern nur um die die noch gar nicht Geboren wurden.
Das VHEMT betrachten sich selbst nicht als Organisation, da keine Strukturen oder Vernetzungen unter den Befürwortern vorhanden sind. Es ist eher eine geistige Haltung, die durch ihre Internetseite in Teilen dargestellt wird, was jedoch nicht zwingend mit den Anschauungen der Befürworter deckungsgleich sein muss. Eine offizielle Stimme dieser Haltung existiert somit nicht.  Auf eben dieser Internetseite, werden diverse Fragen Beantwortet, an welchen ich mich hier für diese Vorstellung bediene.
So auch auf die sehr wohl berechtigte Frage:  Meinen die das wirklich ernst?, was Giraud wohl auch die Lacher an seiner Rede einbrachte.
Viele vermuten hinter der Bewegung eine Spassbewegung und denken, dass das mit dem freiwilligen Aussterben der Menschheit doch unmöglich ernst gemeint sein könne. Dazu meint VEMT: Nun, trotz der ernsten Lage und der Ernsthaftigkeit der Bewegung sollte auch der Spass seinen Platz haben. Tatsächlich wäre ohne ihn der Zustand der Erde noch unerträglich deprimierender, -- ein wenig Spass erleichtert die Ernsthaftigkeit der Situation. BILD 2 Klar, das rapide Aussterben der Tiere und Pflanzen, der tägliche Tod von zehntausenden Kindern ist nicht gerade zum Lachen. Aber weder Lachen noch Weinen wird daran etwas ändern. Also können wir genauso gut ein wenig Spass dabei haben, auf eine bessere Welt hin zu spielen und zu arbeiten. Das langsame Aussterben der Menschen durch freiwilliges Aufgeben der Fortpflanzung wird es dem Leben auf der Erde ermöglichen, wieder einen gesunden Zustand zu erreichen. Die Enge und die Rohstoffknappheit werden nachlassen, wenn die Bevölkerung zurückgeht. Im Übrigen sind die Wiederherstellung des natürlichen Reichtums der Erde und das Ende sinnlosen menschlichen Leidens ja positive Gedanken; warum also Trübsal blasen?
Daher wohl auch ihr Motto „Mögen wir lange leben – und aussterben“ was ihr ihr Ziel knapp zusammen fasst. Eine Bewegung von Menschen, die sich um das Leben auf dem Planeten Erde sorgt und  die Menschheit auf der Welt nicht höher einordnet als die Biosphäre der Erde.  Auch sind sie kaum ein Haufen Menschenhasser und Asozialer, die morbide Freude empfinden, wenn ein Unglück passiert.  Dies würde ja auch dem Grundsatz der Freiwilligkeit widersprechen. Das freiwillige Aussterben der Menschheit wir als  Alternative zu unmenschlichen Katastrophen gesehen. Auch das negativen Denken, das sich  der Mensch als ein gieriger, unmoralischer Parasit auf dem einst gesunden Antlitz dieser Erde entpuppt hat, löst keine der unzählbaren Probleme, die menschliche Aktivitäten verursachen. Stattdessen will die Bewegung eine Alternative zu der gnadenlosen Ausbeutung und grenzenlosen Zerstörung der Ökologie der Erde aufzeigen. Es gibt eine hoffnungsvolle Alternative zur Zerstörung von Millionen, wenn nicht Milliarden von Tier- und Pflanzenarten: die Zerstörung einer einzigen Art, den Homo sapiens uns.
Wenn jeder Mensch beschlösse, sich nicht zu vermehren, könnte sich die Biosphäre der Erde erholen. Alle anderen Lebewesen wären frei zu leben, sich weiterzuentwickeln oder vielleicht auch auszusterben. Aber dafür müssten natürlich alle mitmachen. Und da wird es ja schon mal sehr surrealistisch wir sind ja schliesslich keine Spezies die  einen einheitlichen Gedanken hat. Denn das wird einfach nie der Fall sein. Aber trotzdem weiter im Text denn es geht um Philosophie.
Im Gegensatz zu Giraud  befürwortet des VHEMT anscheinend keine Abtreibung. Sind jedoch nicht als Abtreibungsgegnerinnen zu verstehen. Beide lehnen jedoch Suizide und Mord oder andere gewaltsame Methoden ab. Gemein haben sie aber das sie die Menschen dazu ermutigen möchte, sich mit dem eventuell vorhandenen Kinderwunsch kritisch auseinanderzusetzen und freiwillig aufzuhören, sich weiter zu reproduzieren. Das VHEMT so wie Giraud, steht damit im Gegensatz zu  Religions- verwirrten Vertretern antinatalistischer Positionen, wie zum Beispiel die Church of Euthanasia, welche in den USA anscheinend als eine anerkannte Religionsgemeinschaft gelten soll. Da diese explizit Suizid, Schwangerschaftsabbruch, Kannibalismus und Analsex als Methoden zur Erreichung ihrer Ziele propagieren. Oder im Gegensatz zu vielen Staaten die den Bevölkerungswachstum preisen, um die maroden Rentensysteme am leben zu halten. Welches natürlich bei zunehmender antinatalistischer Tendenz komplett kollabieren würde. Eine demografische Zeitbombe wie sie etwa Japan droht. Dort wurden vor ca. 2 Jahren das erste mal mehr Erwachsenenwindeln  als Babywindeln verkauft was für eine überalterte Bevölkerung spricht.
Die VHEMT-Bewegung kennt zwei Ebenen der Unterstützung. „Freiwillige“ sollen Leute sein, die an das Ziel von VHEMT glauben und die sich darum dafür entschieden haben, keine Kinder zu bekommen, oder keine weiteren, falls sie schon Kinder hatten. „Unterstützer“ sollen Leute sein, die nicht unbedingt wollen, dass die Menschheit ausstirbt, aber dennoch der Meinung sind, eine Reduzierung der Bevölkerung wäre angebracht. Auch sie wollen keine (weiteren) Kinder bekommen.  Wer sich nicht Fortpflanzen will der soll das ja auch nicht tun müssen. Bei der freiwilligen Reduzierung der Bevölkerung darf eine eugenische Geburtenkontrolle oder der rassistischen Gedenke, nur eine bestimmte Bevölkerungsgruppe klein zu halten, auf keinen Fall ins Spiel kommen. Sobald solche Gedankengänge mit Spiel ist es natürlich vorbei. Das versteht sich hoffentlich von selbst.
Die Infragestellung des menschlichen Daseins ist nichts neues. Nur ging es früher weniger um die Anzahl der Menschen sondern eher um das zu vermeidende Leid, welches jeder Mensch ertragen muss.
Heutzutage kommt da dazu das wie einfach langsam aber sicher zu viele sind und immer mehr werden. Laut UN soll die Weltbevölkerung bis 2050 etwa um einen Drittel wachsen, also auf über 10 Milliarden und bis 2100 auf fasst 12. Wir werden jährlich 137 Millionen mehr, es sterben aber nur ca. 58 Mio. Als es früher kaum möglich war seine Grosseltern zu kennen, kennen immer mehr noch ihre Urgrossältern. Soll heissen wir werden einfach auch zu alt. Zumindest wir im Westen. Also müssten Menschen ihren Kindern zuliebe wieder früher sterben um diesen, Platz auf dieser engen Erde zu bieten. Niemensch soll sich rechtfertigen müssen, keine Kinder haben zu wollen. Jedoch schulden Eltern ihren Kindern eine Rechtfertigung. Die Kinder schulden ihren Eltern nichts, meint Giraud dazu.
Wir verbrauchen heute auch so schon zu viel.  Soviel zu viel das wir heute schon 1,7 Erden bräuchten.  Da wir uns und unsere Unfähigkeit uns zu ändern kennen, erscheinen  Aussagen von Wissenschaftlern, dass wir auch 11 Milliarden ernähren könnten, unrealistisch.  Obwohl wir wissen wie schädlich unser Konsumverhalten ist, verbrauchen wir immer mehr. Klar spielen da auch das wirtschaftliche aufrücken von Milliarden Staaten wie China oder Indien eine Rolle. Es ist ihr gutes Recht auch etwas vom Kuchen Erde zu haben, so Alle.  Sollte sich jedoch die ganze Menschheit dem US Konsumstandart annähern, dann  bräuchten wir vier Erden. Um das nächste Jahrhundert zu überleben, müsste die Menschheit ihre aggressive Produktionsweise an der Wurzel bekämpfen, sagen die Denatalisten. Also nicht nur beim CO2-Ausstoss oder in der Herstellung von Plastik, sondern bei der menschlichen Reproduktion selbst. Giraud hat in diesem Zusammenhang den Ausdruck „ Surpollupolutation“  (aus pollution für Verschmutzung und surpopulation für Überbevölkerung) geprägt.
Eines der Hauptziele der VHEMT Internetseite soll die Förderung eines  Bevölkerungsbewusstsein darstellen. Welches scheinbar ein wenig ins Stocken geraten und auf das Niveau zurückgefallen ist, auf das sie vielleicht vor mehr als 35 Jahren war. Fortschrittliche Gruppen zum Thema Bevölkerungsbewusstsein treten für ein Kind im Schnitt und maximal zwei ein; wenige, wenn überhaupt, trauen sich, für Null-Fortpflanzung einzutreten. Umweltschutz-Organisationen meiden das kontroverse Thema und ziehen es vor, sich mit den Konsequenzen unserer zu zahlreichen Fortpflanzung zu beschäftigen. Wissenschaftler bestätigen die Auswirkungen der Bevölkerungszahl, weigern sich aber dies in ihren vorgeschlagenen Lösungsansätzen mit einzubeziehen.
Selbstredend macht mensch sich mit so einer Einstellung nicht viele  Freunde. Wie auch Giraud sich Kinderfeindlichkeit vorwerfen lassen muss, obwohl er immer betont, das es den Kindern die schon da sind, gut gehen soll und sie eine coole Kindheit haben sollen.
Seit ich auf den Antinatalismus aufmerksam wurde finde ich in diversen Artikel antinatalistische Standpunkte, wie etwa beim schmökern im Snowfall zum Artikel über Abtreibungen der sich klar gegen die Lebensschützer richtet. Wie etwa der Satz: Durch eine Embryoabtreibung wird ein Leben an Leid, Angst Schmerz, Verzweiflung, Enttäuschungen, Sorgen und Lieblosigkeit erspart. Oder das Zitieren Schopenhauers wenn nur ein paar Menschen überleben würden, würden sie sich wieder fortpflanzen und das ganze Leid würde wieder anfangen.
Jahre lang bin ich drum rum gekommen, das rund um mich herum die Kinder spriessen. Die Zeiten sind schon ne weile vorbei. Anscheinend haben sich aber die Standpunkte von damals wie: „In so eine Welt? Nee, und besser wird es eh nicht“ geändert.
Mensch kann also bei all seinen Ansichten übers Ziel hinausschiessen, aber für mich stimmt die Einstellung keine Kinder zu haben, mich nicht fortzupflanzen und zumindest meinen Ast des Familienstammbaumes aussterben zu lassen.  Also bin ich in dem Sinne wohl ein Antinatalist.